Bewetterung bedeutet Luftbewegung in Karstobjekten. Dieser „Höhlenwind“ kommt durch äusserst unterschiedliche Einflüsse zustande. Die zwei wichtigsten Arten sind die sogenannte konvektive und die barometrische Bewetterung.
Die konvektive oder thermische Bewetterung beruht auf der Differenz zwischen Höhlen- und Aussentemperatur. Je höher die Temperaturdifferenz und je grösser die Gänge zwischen zwei Höhleneingängen, desto stärker ist die Bewetterung.
Man muss hierbei zwei Situationen unterscheiden: im Winter steigt die wärmere und dadurch weniger dichte Höhlenluft nach oben, während im Sommer die warme Aussenluft sich beim Kontakt mit der Höhle abkühlt und nach unten sinkt, weil sie an Dichte zunimmt. Das bedeutet, dass die Richtung der Bewetterung mit den Jahreszeiten wechselt. Entsprechend dem jeweiligen Verhalten werden Eingänge die im Winter Luft ansaugen und im Sommer ausstossen als „meteotief“ bezeichnet – nach dem typischen Bewetterungsverhalten, welches am tiefsten bekannten Eingang eines Höhlensystems beobachtet wird. Eingänge, die sich genau entgegengesetzt verhalten werden demgegenüber „meteohoch“ genannt.
Ein typischer Vertreter einer thermisch bewetterten Höhle im Blautopfeinzugsgebiet ist z.B. die Seligengrundhöhle, deren Eingang funktionell als „meteotief“ klassifiziert werden kann.
Entgegen landläufiger Meinung müssen Eingänge, die sich weit oben in einer Karstlandschaft nur wenige Höhenmeter unterhalb des höchsten Eingangs ins System befinden, nicht in jedem Fall eine „meteohohe“ Bewetterung zeigen. Klassische Beispiele für dieses auf den ersten Blick paradoxe Verhalten sind alpine Riesenhöhlen wie z.B. der Lamprechtsofen. So zeigt sich z.B. im zu diesem System gehörigen Verlorener-Weg-Schacht, der hoch oben auf dem Karstplateau der Leoganger Steinberge liegt, im Winter eine starke Einwärtsbewetterung – mit dem Effekt, dass hier reichhaltige Eisbildungen zu finden sind. Die physikalischen Gesetze hinter der konvektiven Bewetterung bleiben aber weiterhin in Kraft – wichtig ist nur, dass die sich höhleneinwärts bewegende Luft nach ihrer Erwärmung noch einen höheren Ausgang findet. Und wenn er nur wenige Meter höher liegt…
Die zweite wichtige Bewetterungsart ist die barometrische Bewetterung. Sie kommt durch Luftdruckschwankungen der Aussenatmosphäre zustande. Bei schnellen Luftdruckschwankungen, wie sie z.B. bei Gewittern vorkommen, erfolgt der Druckausgleich zwischen Höhle und Aussenatmosphäre mit einer gewissen Verzögerung, die Rückschlüsse auf die Räumlichkeiten hinter einem Höhleneingang zulässt. Je ausgeprägter die Reaktion auf Luftdruckschwankungen, desto eher kann von einem grossen Hohlraumvolumen hinter dem meist engen Eingang ausgegangen werden.
Meistens überlagern sich in der Praxis beide Bewetterungsformen. Als Indikator auf grössere Hohlräume sind beide Bewetterungsformen für den Höhlenforscher von unschätzbarem Wert.
Neben den bereits in der Vergangenheit bekannten Bewetterungsphänomenen in Höhlen im Stadtgebiet von Laichingen sowie der Vetterhöhle bei Blaubeuren, konnten in letzter Zeit auch noch einige andere bewetterte Karstobjekte dokumentiert werden, darunter die Hessenhaudoline bzw. -höhle.
Diese nimmt aufgrund ihres eigentümlichen Bewetterungsverhaltens eine Sonderstellung unter allen anderen Objekten ein. Charakteristisch für sie ist vor allem eine extrem starke Überlagerung von konvektiver und barometrischer Bewetterung, sowie eine zeitweise sehr hohe Windgeschwindigkeit, die bislang von keiner anderen bekannten Höhle im Blautopfeinzugsgebiet erreicht wird. Als maximale Windgeschwindigkeit wurden im Beobachtungszeitraum 20 km/h aufgezeichnet!
Im Sommer und Winter überwiegt die konvektive Bewetterung, die durch gelegentliche Luftdruckschwankungen moduliert wird. Aber auch in Zeiten geringer Temperaturdifferenzen zwischen Höhle und äusserem Milieu kommt es zu Bewetterungsereignissen aufgrund von barometrischer Bewetterung. Dabei werden häufig eine schnelle Umkehr der Bewetterungsrichtung sowie starke Schwankungen der Intensität beobachtet, da das stabilisierende Element der konvektiven Bewetterung fehlt.
Bemerkenswert ist, dass der Eingang in den Hessenhau-Dolinenschacht „meteotief“ liegt, obwohl sich die Doline ja auf der Albhochfläche befindet. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich jedoch schnell auf, wenn man bedenkt, dass die Hessenhaudoline nicht am höchsten Punkt des Blautopfeinzugsgebietes liegt, sondern in einer mittleren Höhenlage. Klassische „meteohohe“ Höhleneingänge im Blautopfeinzugsgebiet liegen noch gut 100 m höher. Damit ist das Höhenpotential noch nicht einmal ausgereizt. Östlich von Zainingen erreicht das Einzugsgebiet Höhenlagen von knapp über 860 mNN. Ausgehend vom Wasserspiegel des Blautopfes bei 512 mNN beträgt damit die hypothetische maximale Niveaudifferenz lufterfüllter Hohlräume etwa 350 m!
Da das Bewetterungsverhalten der Hessenhauhöhle für die Schwäbische Alb absolut einzigartig ist, werden seit Mai 2006 Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchte, Bewetterungsrichtung und -stärke vor Ort kontinuierlich mit einem Datenlogger aufgezeichnet. Für die Zukunft ist eine Erweiterung des Messnetzes geplant.
Ausgeprägte Schneeabschmelzungen oberhalb des vermuteten Verlaufs der Blauhöhle. Warme Höhlenluft steigt im Winter nach oben und führt an dieser Stelle zur Abschmelzung von drei Löchern im Schnee mit einem Durchmesser von bis zu 40cm. Im Hochwinter ist hier eine deutliche auswärtsgerichtete Bewetterung messbar, der vermutete Eingang zum Höhlensystem liegt also „meteohoch“.
Foto: J. Bohnert